Letzte Woche haben wir gesehen, was C. Falkenhorst über Wiegen und Kinderbetten schreibt. Diese Woche geht es um das Bett der Erwachsenen. Falkenhorst macht auch einen Schwenker in andere Kulturen. Die rassistischen Begriffe habe ich durch Sternchen ersetzt.
Ein gutes Bett.
Ebenso wichtig wie das Schlafzimmer ist das Bett; und die Frage, wie soll ein gutes Bett sein, ist eine der wichtigsten, obwohl sie am seltensten überlegt wird.
Es wäre interessant, eine Zusammenstellung aller der Betten zu geben, welche der menschliche Geist ersonnen hat. Die Zahl der Muster würde viele Seiten, ja ein Buch füllen! Da ist der biedere, rinderzüchtende Dinkan**** am Obernit, der sich aus Asche eine weiche Lagerstätte bereitet, während der I******* auf den Antillen zur Zeit der Entdeckung Amerikas sein Bett als Hängematte zwischen den Pfosten seiner elenden Hütte aufzuhängen pflegte. Der Japaner kennt kein Bettgestell, er breitet Matten und Teppische auf dem Fußboden aus und schläft den Schlaf des Gerechten. Die muthigen Nordpolfahrer haben ihr eigenes Bett für den hohen Norden erdacht; sie schlafen in Schlafsäcken, die aus üffelhaut genäht sind und in die sie zu zweien, um sich zu wärmen, hineinkriechen. Das sind Extreme, die mit dem Bett des civilisierten Menschen nichts gemein haben, aber selbst dieses europäische Bett ist ein wahrer Proteus; es wechselt von Volk zu Volk seine Gestalt - und wie hat es sich im Laufe der Jahrhunderte verändert!
"Für die Dekoration des Bettes," schreibt Georg Hirth in seinem Werke über das deutsche Zimmer, "liefern uns alle Jahrhunderte seit Sardanapal die reichste Abwechslung. Die zelt- und kastenartigen Bildungen hatten im alten Orient sowohl als im mittelalterlichen Norden ihren Ursprung hauptsächlich wohl in der Absicht, die Schlummernden den Blicken der Diener und sonstigen Bewohnern des Raumes zu entziehen, erst in zweiter Linie mag dabei der Schutz gegen das grelle Tageslicht, gegen Luftzug, Kälte oder Hitze, Staub u. s. w. bestimmend gewesen sein. Im altnordischen "Saale" zechte und schlief das Königspaar neben den Mannen und Frauen des gefolges, da war wohl ein züchtiger Abschluß von Nöthen. In Frankreich waren noch unter Heinrich IV. und selbst noch unter Ludwig XIII. Wohn- und Schlafzimmer Eins. Aber während im antiken Orient und Süden, auch im Byzantinisch-Romanischen vorwiegend nur textile Stoffe, an der Zimmerdecke befestigte Teppische und Tücher zum Abschluß der Lagerstatt verwandt wurden, bildete der Norden mit Vorliebe das sogenannte Himmelbett aus, welches sogar vielfach, namentlich in den Zeiten der späteren Gothik und frühen Renaissance, kasten- und nischenartig mit der Wandtäfelung verbunden, also nicht mehr als "Möbel" erscheint. Der eigentliche Himmel wird auch an den beweglichen freistehenden Betten der späteren Perioden theils durch feste Holzschranken, bez. Säulen oder Pfeiler getragen, theils tritt er nur als überhängender, am Kopfende der Bettstelle oder an der Zimmerwand befestigter Baldachin auf. Diese letzte Form ist zur höchsten Ueppigkeit unter Ludwig XIV. ausgebildet worden: der Bettbewohner will nicht mehr den Blicken seiner Umgebung sich entziehen, sondern vielmehr eine besondere liebenswürdige und intime Seite seiner fürstlichen Pracht entfalten, gewissermaßen einen Thronhimmel im Negligé."
Solche Betten, mehr oder weniger luxuriös ausgestattet, fand man nicht nur an Fürsthöfen, sondern auch in den Häusern wohlhabender Leute, heute sind sie so gut wie völlig verschwunden; nur die gewaltigen Bettladen der niedersächsischen Bauern sind eine schwache Erinnerung an längst vergangene Zeiten.
Dagegen kam überall in Deutschland ein neues Bett in Aufnahme, das bis vor Kurzem allgemein üblich war und sich durch seine Dürftigkeit auszeichnete. Dieses Bett, in der Mehrzahl der Haushaltungen ist es noch im Gebrauch, ist dürftig in jeder Beziehung.
"Wir lassen dahingestellt," schildert es Reclam in seinem "Buche der vernünftigen Krankenpflege", "ob dieses Bett nur durch den Wohnungsmangel im späteren Mittelalter entstanden ist, welcher die Leute zwang, in engen Stübchen und Kammern sich zusammenzudrängen, - oder ob es ein Ausdruck der Ascese ist, die durch Kreuzigung des Fleisches auch während der Nachtzeit den Himmel zu gewinnen hoffte. Genug, so viel ist sicher: ein mitteldeutsches Bett ist nicht größer als ein anständiger Sarg. Ein Bett von 80 Centimeter Breite ist keine Seltenheit, sondern bildet die Regel und ein Bett, welches 90 Centimeter breit ist, gilt schon als reichlich bemessen, während in der That ein bequemes und behagliches Bett doch nicht unter 1 1/4 Meter Breite haben soll, wie dies denn auch in England, Frankreich und Italien der Fall ist. Die Mehrzahl der in den letztgenannten Ländern den Fremden angewiesenen Betten aber haben noch etwas größere Dimensionen. In dem deutschen Sargbett kann man sich nicht umdrehen, oder man kommt auf der einen Seite auf die Bettkannte zu liegen und auf der anderen rennt man sich an die Wand. Wenn nun Jemand, der gewohnt ist, in einem behaglichen Bett zu ruhen, in einem solchen deutschen Bett sich im Schlafe umwendet, so ermuntert er sich jedesmal, denn das eine Mal wacht er auf, um Schreck, daß er aus dem Bett herausfallen könnte und das andere Mal vor Schmerz, wenn er sich mit der Nase oder mit dem Knie an die Wand stößt; - das Umwenden im deutschen Bette ist eine kleine Turnübung und muß erst erlernt werden. Es währt geraume Zeit, bis man weiß, daß man sich auf Schulter und Ferse stützen und nun den etwas emporgehobenen Körper um seine Längsachse drehen muß, um auf der anderen Seite wieder auf derselben heißen Stelle zu liegen, auf der man vorher gelegen hat."
Ein zweiter Fehler dieses mitteldeutschen Bettes ist seine innere Ausstattung: die Federherrlichkeit, auf welche namentlich Frauen vom Lande so ungemein stolz sind. Auf die Matratze oder den Strohsack am Grunde des Bettes werden einige Schichten von Unterbetten gelegt, am Kopfende wird ein Thurm von Federkisen aufgebaut und zum Zudecken dient ein mächtiges Deckbett.
Legt man sich in ein solches Bett, so versinkt man in den Abgrund der Federn und bleibt in ihm vergraben. Da die Federn hitzen, so wird auch der Körper in einem solchen Bette durchglüht, und es ist geradezu wunderbar, wie gesunde, kräftige Menschen selbst während des heißen Sommers auf solchem Lager schlafen können.
Es ist auch eine der Errungenschaften der Hygiene, daß diese Art von Betten nach und nach verschwindet, und besseren Platz macht.
Wir wollen nur kurz ein zweckmäßiges Bett schildern.
Es sei nicht zu schmal, sondern etwa 1 1/4 Meter breit. Die Unterlage sei folgendermaßen beschaffen. Zu unterst kommt eine Rahmenmatratze mit Stahlfedern, darüber eine zweite einfache Matratze, die am zweckmäßigsten mit Roßhaaren gefüllt ist und täglich gewendet werden kann, darüber das Bettuch.
Kopfkissen, die mit Federn gestopft sind, verwerfe man gänzlich oder benütze sie nur vorübergehend in der kältesten Jahreszeit. Anstatt derselben erwähle man eine mit Roßhaaren gefüllte Rolle, welche etwa 2/3 so lang ist wie das Bett breit und etwa 25 bis 30 Centimeter im Durchmesser hat, also so hoch ist, daß sie gerade den Raum zwischen dem Kopf und der Achsel ausfüllt, wenn man auf der Seite liegt. Wer mit dem Kopf besonders hoch zu liegen pflegt, der kann diese Rolle noch durch das Unterschieben eines Keilkissens erhöhen.
Zum Zudecken wähle man nicht das Federbett, sondern richte sich nach dem Grundsatz "Füße warm, Kopf kühl!" Zu diesem Zwecke lege man am Fußende des Bettes eine mit Federn gefüllte Rolle, welche die ganze Beite des Bettes ausfüllt. Dadurch wird verhütet, daß die Füße mit der kalten Bettwand in Berührung kommen. Zum Zudecken benutze man eine wattirte Steppdecke oder lieber noch eine wollene Decke. Wenn auch diese vollständig genügt, um den Oberkörper zu schützen, so ist sie für die Füße, die sich leichter abkühlen, ungenügend; man muß also am Fußende des Bettes über die Wattdecke noch ein aus Daunenfedern bereitetes Fußdeckbett - ein Plumeau - legen, welches ebenso breit ist wie das Bett und bis über die Kniegegend hinaufreicht. Die Federrolle und das Fußdeckbett sind unbedingt nothwendig namentlich für Solche, welche mit dem Schlafen unter Federbetten brechen wollen. der ungenügende Schutz der Beine veranlaßt gerade viele, nach einem kurzen Versuch zu dem Federbettsystem zurückzukehren.
In der kühleren Jahreszeit wird den wenigsten Menschen, namentlich im ungeheizten Schlafzimmer, eine Wattdecke genügen; man nimmt alsdann zwei, die einen völlig genügenden Schutz gewähren.
Die Vortheile einer solchen Lagerstatt sind, daß der Körper auf ihr nicht überhitzt wird und in Folge dessen nicht in Schweiß geräth. Das Schwitzen unter den Federbetten ist aber die vornehmste Ursache von allerlei Erkältungen, Rheumatismen und dgl., die man sich im Bette zuzieht, denn während man schwitzt, entblößt man sich unwillkürlich im Schlafe und setzt namentlich im Winter die erhitzte feuchte Haut der Einwirkung der kalten Luft aus. Unter der Decke können wir nicht so leicht in Schweiß gerathen, weil diese Luft durchläßt, also unsere dunstförmige Hautathmung nicht so wie das Federbett unterbricht.
Diese Vorschriften passen natürlich nur für Gesunde, aber selbst unter diesen machen kleine Kinder und alte Personen eine Ausnahme.
- Buch von der gesunden und praktischen Wohnung, C. Falkenhorst, Leipzig, 1891, S. 285ff