"Frühzeitig offenbart sich die Macht der Sympathie. Der Säugling fühlt sich in der Nähe von Menschen wohler, will nicht allein seyn, sondern auf den Arm genommen werden, oder doch an seinem Lager Jemanden um sich sehen. So tönt ihm die Menschenstimme angenehm, und er läßt sich dadurch besänftigen und erfreuen;
auch zeigt er bald Wohlgefallen an der Menschengestalt, blickt in das Auge und sieht gern menschliche Bewegungen. Dann unterscheidet er auch die Personen, und liebt diejenige, welche ihn wartet und ihm mancherlei Sinnesbeschäftigung verschafft, mehr als die, welche ihn nährt. Während er besonders in der Nähe Derer sich wohl fühlt, an die er gewöhnt ist, und deren Anblick ihn an die bisher durch sie erregten angenehmen Empfindungen erinnert, fängt er an mißtrauisch gegen Fremde zu werden und sich vor ihnen zu scheuen, wobei er jedoch zu einzelnen eine specifische Zuneigung gewinnt, und gegen andere Abneigung zeigt, mit Kindern aber in der Regel gern sich beschäftigt. Er äußert auch schon Mitleid, wenn ihm das Leiden einer geliebten Person sichtbar wird. Vermöge solcher Sympathie versteht er frühzeitig Geberden, Mienen und Töne nach der allgemeinen Stimmung, welche sie ausdrücken, so daß er sich durch sie erfreuen oder schrecken läßt."
Der Mensch nach den verschiedenen Seiten seiner Natur, Dr. Carl Friedrich Burdach, 1858