Welche feste(re) Nahrung dem Baby als erstes angeboten wurde, war abhängig von örtlichen Gepflogenheiten. Das ist nicht weiter verwunderlich. Essgewohnheiten sind bis heute im deutschsprachigen Raum unterschiedlich je nach Region. Doch die Empfehlungen in der Ratgeberliteratur waren geprägt von Ideologien und dubioser Wissenschaftlichkeit.

Der Mediziner Adolph Henke behauptet in seinem Taschenbuch für Mütter von 1832, dass Stillprobleme in erster Linie an der modernen Gesellschaft lägen.

1865 erfand Justus von Liebig die erste Pulvermilch. Sie war als Nahrungsergänzung für Säuglinge und Kleinkinder konzipiert. Bereits 1868 brachte Henri Nestlé seine eigene Variante dieses Milchpulvers hervor und vermarktete sie als Muttermilchersatz. 1872 stieg Nestlé in den Weltmarkt ein und setzte sich 1875 als reicher Mann zur Ruhe. 

Kann ja nicht wahr sein! In zehn Jahren Säuglingspflege-Blog habe ich noch nichts über Schnuller geschrieben? Na, dann wird es aber höchste Zeit. Lassen wir Dr. Friedrich Böhm erstmal erklären, was ein Schnuller überhaupt ist.

Besonders beliebte Zitate poste ich in unregelmäßigen Abständen gerne wieder und wieder auf den Social Media. Einige von Euch kennen daher schon das folgende Zitat. Auch im Blog könnt Ihr es finden.

Während der Belagerung von Paris im Jahre 1870/71 waren die Frauen wegen Mangels an Kuhmilch gezwungen, ihre Kinder selbst zu ernähren. Die Folge war, daß trotz der sehr ungünstigen sonstigen Verhältnisse die Säuglingssterblichkeit von 33% auf 17% sank.

Die sozialen Ursachen der Säuglingssterblichkeit, Gustav Temme, 1908

Der Dozent der Kinderheilkunde an der Universität zu Bern Dr. med. Hermann Albrecht, hielt dort im Februar 1879 einen öffentlichen Vortrag über die Ernährung nicht gestillter Säuglinge. Dieser Vortrag wurde die Vorlage für sein Büchlein Wie ernährt man ein Neugebornes Kind?, welches er als "unentbehrlichen Wegweiser für Mütter aller Stände, welche gezwungen sind, ihre Kinder ohne Muttermilch großzuziehen," bezeichnete. Darin beschreibt das Kapitel Was lehrt die Mütter die Statistik? eindrücklich die Folgen des Nichtstillens. 

In den nächsten drei Wochen dreht sich im Blog alles ums Stillen und Nichtstillen. Den Anfang machen einige Statistiken. Wir betrachten die unterschiedlichen Stillquoten von ehelich und unehelich Geborenen, die Nutzung von Ammen als Zeichen von Wohlstand, häufig genannte Gründe für das Nichtstillen, sowie die unterschiedliche Anfälligkeit für Krankheiten bei gestillten und nicht gestillten Kindern.

Der Pfarrer zu Gailsdorff im Voigtland, Johann Georg Jördensen, hat 1709 eine Schrift mit dem Titel "Die sündliche Ammenmiethe" verfasst, in der er das Ammenwesen aufs Schwerste verurteilt. Im ersten Teil erklärt er, warum die Ammenhaltung eine Sünde sei, im zweiten Teil gibt er 12 "Entschuldigungen" an, mit denen Mütter angeblich das Nichtstillen und die Ammenhaltung verteidigen würden. Natürlich ist keine dieser Entschuldigungen für ihn gültig. Es sind lediglich Ausreden für ihn und er zeigt uns genau, warum.

Jördensen hielt nicht nur das "Mieten" einer Amme für sündhaft. Die Amme selber war schon ein sündhafter Mensch.

Als Abstillen verstehen wir den Prozess von der allerersten Gabe von Beikost bis zum allerletzten Mal Stillen. Das Abstillen kann daher über einen sehr langen Zeitraum hinweg geschehen. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt die Beikosteinführung mit 6 Monaten und Abstillen nicht vor dem 2. Geburtstag. Vor dem ersten Geburtstag abzustillen empfiehlt heute eigentlich niemand mehr.

Das war nicht immer so. Lange Zeit waren sich die Ärzte einig, dass 9 Monate nicht nur die beste, sondern die natürliche Stilldauer sei. Meist leiteten sie diese "Natürlichkeit" von der Dauer der Schwangerschaft ab. Andere Argumente für diese Zeit waren die Beendigung der ersten Zahnungsphase (die ersten 8 Zähne) oder die angebilche Unfähigkeit von Frauen, länger Milch zu produzieren.

Das Kinderpflege-Lehrbuch von Prof. Dr. Arthur Keller und Prof. Dr. Walter Birk erschien in der ersten Auflage 1914 und in einer vollständig neu bearbeiteten dritten Auflage 1917. Hier eine direkte Gegenüberstellung des Kapitels "Ernährung älterer Kinder" aus beiden Auflagen.